(Impression vom Alten Friedhof Allerheiligen 2013)
Die Zahl der Gedenktage ist im trüben November so umfangreich, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Der 31. Oktober, der Reformationstag, als rein protestantischer Feiertag muss mit dem seit einigen Jahren leider auch bei uns in Mode gekommenen, ausgelassenen wie überflüssigen Halloween einen Wettstreit führen. An den beiden folgenden Tagen eröffnen die Katholiken den Reigen der Totengedenktage.
Der Ausdruck „Memento mori“ entstammt dem mittelalterlichen Mönchslatein: aus „Memento moriendum esse“ – „Bedenke, dass du sterben musst“. Er ist ein Symbol der „Vanitas“, der Vergänglichkeit und es war ein wesentlicher Bestandteil der mittelalterlichen mönchischen Liturgie.
Im allgemeinen Verständnis bilden Allerheiligen und Allerseelen heute eine Einheit. Der 1. November als Tag für alle Heiligen und den Rest der Christenheit ist ein freudiges Fest, auch wenn an diesem Tag die geschmückten Gräber der Verstorbenen besucht werden. Schon immer haben die Menschen ihre Trauer um die lieben Verstorbenen und das Wissen um die eigene Vergänglichkeit ritualisiert. Die Wurzeln unseres heutigen Totengedenkens reichen weit in vorchristliche Traditionen zurück. Im Christentum sind seit dem 2. Jahrhundert Gebete für die Verstorbenen überliefert.
Papst Gregor VI hatte um 837 nach Chr. ein logistisches Problem zu bewältigen: die Zahl der Heiligen und Märtyrer war so stark gewachsen, dass es unmöglich wurde, sie alle mit einem eigenen Festtag zu ehren. Heilig zu werden ist aber ohnehin kein Privileg von wenigen Auserwählten: Jeder und jede ist der Bibel (s. Neues Testament) zufolge dazu berufen. Es wird folglich der verstorbenen Menschen gedacht, die kein eigenes Gedächtnis haben, die also nicht vom Papst heilig gesprochen wurden, jedoch im Himmel das Angesicht Gottes schauen.
(Allerseelengebetszettel (19.Jhd.))
Diese Ausweitung des Heiligengedenkens auf alle Verstorbenen hat dazu geführt, dass Allerheiligen als gesetzlicher Feiertag das darauf folgende Allerseelen als wichtigen Termin für den Friedhofsbesuch abgelöst hat. Die Menschen entzünden ein Licht, stellen Herbstblumen und, als Zeichen der Hoffnung, grüne Zweige auf die Gräber.
An Allerseelen, dem 2. November, gedenken die katholischen Christen gemäß der Tradition ihrer Toten. Also all jener lieben Menschen, von denen keine Legende erzählt, keine Kirchengeschichte berichtet, die aber im Gedächtnis der nachkommenden Generationen lebendig sind. Die Hilfe der Lebenden für die Verstorbenen steht an diesem Tag im Mittelpunkt. Die Verstorbenen, die noch im „Fegfeuer geläutert“ werden, bedürfen der Fürsorge der Lebenden, vor allem ihrer Verwandten.
Diese können Gott bitten, dass er die Seelen aus dem Fegfeuer, dem Ort der Reinigung, befreit. Nach altem Volksglauben stiegen die armen Seelen an diesem Tag aus dem Fegfeuer zur Erde und ruhten sich für kurze Zeit von ihren Qualen aus. In manchen Regionen stellte man früher aus diesem Grund etwas Essbares auf das Grab. Im Berchtesgadener Talkessel gibt es am Allerseelentag ein eigenes Gebildbrot, das „Stuck“. Dieser Gedenktag geht auf eine irische Tradition zurück, und es war Abt Odilo von Cluny, der im Jahr 998 die Allerseelenfeier für den 2. November festgelegt hat. Bald wurde der Allerseelentag auch außerhalb der Klöster gefeiert.
Im Bergfriedhof: Zum Gedenken an ungetauft verstorbene Kinder
Am dritten Mittwoch im November wurden verschiedene Buß- und Bettage in der evangelischen Tradition zusammen gezogen. Die Gläubigen werden an diesem Tag zur Ein- und Umkehr angehalten. Der Buß- und Bettag war nicht zuletzt deshalb ein staatlicher Feiertag, weil dieser Tag für eine wichtige Dimension des Zusammen- lebens stand, bis er zur Finanzierung der Pflegeversicherung abgeschafft wurde. Nicht wenige evangelische Gemeinden haben auf Grund dieses staatlichen Eingriffs die Thematik dieses Tages intensiviert.
Der „Volkstrauertag“ wurde 1922 unter dem Eindruck der furchtbaren Opfer des 1. Weltkrieges ins Leben gerufen. Er ist in Deutschland ein staatlicher Gedenktag und gehört zu den „Stillen Tagen“ (z. B. Tanzverbot). Er wird seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen und erinnert an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen.
Der Sonntag vor dem 1. Advent, dem letzten Sonntag des Kirchenjahres, ist das „reformierte Gegenmodell zu Allerheiligen/Allerseelen“. Den um alle katholischen Grabbräuche reduzierte Toten- und Ewigkeitssonntag hat König Friedrich Wilhelm III von Preußen 1816 eingeführt, Die Tradition, an einem Tag des Jahres der Toten öffentlich zu gedenken, gibt es in den evangelischen Kirchen bereits seit dem 16. Jahrhundert. Während der 2. November, der katholische Allerseelentag, eher dem Gedächtnis der Toten der Familien gewidmet ist, hat der Totensonntag den Charakter eines öffentlichen Totengedächtnisses, was vor allem durch die beiden letzten Weltkriege so drängend geworden ist.
Kriegerdenkmal in Berchtesgaden, Schlossarkaden
„Für Gott, König, Vaterland“ – Heldendenkmal in Marktschellenberg, 1871
Erinnerung an der ersten Friedhof von Berchtesgaden zwischen Stifts- und Pfarrkirche gelegen – ca. 1100 – 1806.
November – Trauermonat und Hoffnungsmonat; so schreibt der Apostel Paulus an die Thessalonicher: „Brüder und Schwestern, wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen.“
Johannes Schöbinger